Haben Sie eine Frage?
Nehmen Sie mit mir Kontakt auf. Sie können mich gerne anrufen oder mir eine E-Mail Nachricht schicken. Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen!
Der Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte nimmt stetig zu – umso wichtiger ist es für Unternehmen, sich klar als attraktive Arbeitgeber zu positionieren. Employer Branding spielt dabei eine zentrale Rolle. Doch was macht eine starke Arbeitgebermarke wirklich aus?
Dr. Julia Urbahn wurde gemeinsam mit Dr. Peter Glassen, Markenberater bei markenbildung.ch, für einen Fachartikel im Magazin «Verwaltungsrat» von Laurent Ph. Gachnang interviewt. Im Gespräch erklären die beiden, wie Unternehmen durch eine starke Employer Value Proposition und gezieltes Employer Branding als attraktive Arbeitgeber positioniert werden können – und wie man den Erfolg solcher Strategien messbar macht.
Laurent Ph. Gachnang (LG):
Viele Jahre und viele (geburtenstarke) Jahrgänge lang konnten sich Unternehmen zurücklehnen und aus dem Briefstapel oder der E-Mail-Flut die besten Bewerber:innen aussuchen und diese zum Gespräch einladen. Langsam, aber stetig hat sich diese Situation grundlegend verändert. Frau Urbahn, Sie sind Mitglied im Verwaltungsrat des Marktforschungsinstituts intervista AG und natürlich auch auf Fachkräfte angewiesen. Was ist Ihre Einschätzung der aktuellen Situation in der Schweiz?
Julia Urbahn (JU):
Schaut man auf die Websites von Schweizer Unternehmen, stösst man auf sehr viele offene Stellen, insbesondere diverse Fachkräfte werden gesucht: Eine Schweizer Privatspitalgruppe weist allein im Bereich Pflege über 200 Jobangebote aus, ein Telekommunikationsanbieter im IT-Bereich über 80 offene Stellen. Manche Unternehmen ermöglichen «Blitzbewerbungen» per WhatsApp, um die Hürden für potenzielle Interessierte möglichst niedrig zu halten.
LG:
Lässt sich das mit Zahlen belegen?
JU:
Während 2004 etwa 16 % der vom BFS befragten Unternehmen angaben, Stellen für qualifizierte Arbeitskräfte nicht oder nur schwer besetzen zu können, beklagten dies ca. 20 Jahre später im Jahr 2023 über 40 % der Unternehmen. Als Statistikerin weiss ich, dass Durchschnittswerte oft trügerisch sind. Betrachtet man einzelne Wirtschaftszweige, ist die Situation nämlich noch dramatischer – in manchen Bereichen des Industriesektors sind sogar viermal so viele Stellen offen wie besetzt. Im tertiären Dienstleistungssektor sieht es z. B. im Gastgewerbe oder bei den bereits erwähnten IT-Jobs ähnlich aus.
LG:
Wie aber kann ein einzelnes Unternehmen aktiv werden, um der prekären Arbeitsmarktsituation entgegenzuwirken? Neben anderen operativen Massnahmen liegt ein wichtiger Schlüssel im strategischen «Employer Branding». Herr Glassen, was verstehen Sie als Markenberater unter diesem Begriff?
Peter Glassen (PG):
Employer Branding bedeutet im Grunde, dass ein Unternehmen sich aktiv darum kümmert, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Dabei geht es darum, eine starke Arbeitgebermarke aufzubauen und zu zeigen, was das Unternehmen für seine Mitarbeitenden besonders macht (siehe Abbildung 1). Das Ziel ist, nicht nur die eigenen Leute zu motivieren, sondern auch neue Talente anzuziehen. Wir haben diesen Prozess kürzlich bei einer Schweizer Unfallversicherung begleitet – das war ein spannendes Projekt, gemeinsam mit dem Unternehmen die wesentlichen Merkmale der Marke herauszuarbeiten.
LG:
Ein Schlüsselbegriff in diesem Zusammenhang ist die «Employer Value Proposition» (EVP). Können Sie uns erklären, was das ist und welche Rolle sie im Employer Branding spielt?
PG:
Die Employer Value Proposition (EVP) ist im Prinzip das Versprechen, das ein Unternehmen seinen jetzigen und zukünftigen Mitarbeitenden macht. Sie beschreibt, welche besonderen Vorteile und Werte das Unternehmen als Arbeitgeber bietet. Man kann sagen, dass die EVP das Herzstück des Employer Brandings ist – sie legt den Grundstein für die gesamte Kommunikation und die Strategie. Wenn die EVP stark ist, hilft sie dabei, die richtigen Talente anzulocken und langfristig zu halten, weil sie ehrlich und klar zeigt, was das Unternehmen einzigartig macht und von anderen Arbeitgebern unterscheidet.
LG: Wie entwickelt man eine starke und authentische Employer Value Proposition? Frau Urbahn, welche empirischen Insights sind im Vorfeld notwendig?
JU: Unternehmen, die ihre Arbeitgebermarke stärken möchten, benötigen zunächst Daten zu verschiedenen Aspekten, in der Regel beantworten unsere Studien deshalb mehrere Fragestellungen. Die wichtigsten sind sicher: Welches Image habe ich aktuell bei meinen Mitarbeitenden sowie bei potenziellen Bewerber:innen? Wie bekannt bin ich bei diesen überhaupt, und gehöre ich zu den Arbeitgebern, die für sie infrage kommen?
Hier spielen natürlich detaillierte Insights eine Rolle, aber wir arbeiten auch mit übergeordneten Kennzahlen. Insbesondere der von intervista entwickelte «Brand Strength Indicator» ist ein wichtiger KPI. Die Kombination aus Bekanntheit eines Unternehmens und seiner Attraktivität als Arbeitgeber lässt sich so vergleichen, wie man sich im Kreis der Wettbewerber positioniert und bei welchen Zielgruppen am Arbeitsmarkt man gute (oder auch schlechte) Werte erzielt.
LG: Auch wenn die Zufriedenheit der bereits angestellten Mitarbeitenden natürlich sehr wichtig ist, bleiben wir einmal kurz beim Thema Zielgruppen, also neue kompetente Fachkräfte. Wie kann empirische Forschung da unterstützen, bevor die Employer Value Proposition erarbeitet wird?
JU: Meistens weiss ein Unternehmen ja, welche Profile es anziehen möchte. Es geht in der Regel um generelle Kompetenzen: Für eine Funktion werden z.B. Personen mit Kompetenzen in Data Science und Business Intelligence benötigt, für eine andere solche mit Erfahrung im Kundenkontakt. Je nach Fachbereich (und manchmal sogar innerhalb des Bereichs) können die Bedürfnisse stark variieren. Wie wichtig ist Homeoffice? Teilzeitmöglichkeiten? Sind vielfältige Karriereoptionen entscheidend oder der «Purpose»? Bevorzugt die Zielgruppe selbstbestimmtes Arbeiten oder eher klare Führung? Die empirische Forschung unterstützt hier durch Befragungen zu arbeitsrelevanten Themen und der Profilierung zentraler Motivationstreiber.
Erst wenn dieses Wissen vorliegt, kommen die Employer Value Proposition und strategische Überlegungen ins Spiel.
LG: Herr Glassen, wie erarbeiten Sie mit den Unternehmen eine starke und authentische Employer Value Proposition?
PG: Unser Beratungsprozess beginnt mit einer tiefen Analyse des Unternehmens, seiner Kultur, seiner Persönlichkeit und seiner Werte sowie der Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeitenden. Authentizität darf kein Versprechen sein, das nicht gehalten werden kann. Sie kann nur erreicht werden, wenn das Image den tatsächlichen Verhältnissen im Unternehmen entspricht. Herzstück unserer Beratung ist dabei der Markenworkshop. In ihm erarbeiten wir, aufbauend auf den empirischen Daten, die wesentlichen Merkmale der Markenidentität. Sie gibt der Employer Brand eine Richtung und sorgt dafür, dass die Kommunikation konsistent und glaubwürdig ist.
LG: Welche Bestandteile hat eine solche Markenidentität? Lässt sich das «greifbar» machen?
JU: Ja, insbesondere die Markenwerte als Teil der Markenidentität sollten messbar sein. Nur dann lässt sich ja auch überprüfen, ob die erarbeitete Identität sich in der Realität widerspiegelt, also ob die Stakeholder das Unternehmen so wahrnehmen, wie es erscheinen will. intervista hat ein Employer-Brand-Modell entwickelt, das die Markenwerte mess- und vergleichbar macht (siehe Abbildung 2).
LG: Ein weiteres wichtiges Thema ist die «Employer Brand Experience». Was versteht man darunter, und wie kann diese positiv gestaltet werden?
PG: Die Employer Brand Experience umfasst alle Momente, in denen Mitarbeitende oder potenzielle Mitarbeitende mit der Marke des Unternehmens in Berührung kommen – vom ersten Blick auf eine Stellenanzeige über den Bewerbungsprozess bis hin zum Arbeitsalltag und schliesslich zum Abschied aus dem Unternehmen. Jeder dieser Kontaktpunkte sollte positiv und einheitlich sein, sodass das Bild, das in der EVP vermittelt wird, auch wirklich spürbar ist. Eine gute Employer Brand Experience entsteht durch Offenheit, Wertschätzung und eine Kommunikation auf Augenhöhe. Es ist wichtig, dass die Mitarbeitenden die Werte, die ihnen versprochen wurden, auch im Alltag erleben. So wird nicht nur die Bindung ans Unternehmen gestärkt, sondern die Mitarbeitenden werden auch zu echten Botschaftern der Marke – sowohl nach innen als auch nach aussen.
LG: Wie kann man den Erfolg von Employer Branding messen?
JU: Eigentlich sollte sich der Erfolg mittelfristig direkt in mehr und besseren Bewerbungen auf Stellenausschreibungen und geringeren Kündigungsraten widerspiegeln.
Unterstützend ist es sicher sinnvoll, immer wieder Daten zu erheben und damit Veränderungen in der Wahrnehmung bestehender und potenzieller Mitarbeitender im Zeitverlauf zu tracken.
PG: Erfolg braucht jedoch viel Geduld, weil Markenimages sich sehr träge entwickeln. Kommunikative und strategische Massnahmen machen sich meist erst nach Monaten, wenn nicht sogar Jahren bemerkbar. Gerade deshalb sollten Unternehmen lieber heute als morgen beginnen, ihr Employer Branding strategisch aufzubauen und zu pflegen.
LG: Vielen Dank Ihnen beiden für das Gespräch.
Nehmen Sie mit mir Kontakt auf. Sie können mich gerne anrufen oder mir eine E-Mail Nachricht schicken. Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen!